RAF Anschlag in Heidelberg

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RAF-Anschlag auf die Campbell-Baracks Heidelberg am 24.05.1972

Zeitungsartikel

Campbell Baracks, März 2016

Im US Hauptquartier in Heidelberg explodieren in zwei gestohlenen Fahrzeugen großkalibrige Sprengsätze und töten einen Hauptmann und zwei Soldaten im Mannschaftsdienstgrad; zahlreiche Personen werden verletzt. Politiker aller Parteien verurteilen den Anschlag noch am gleichen Tage und appellieren an die Bevölkerung, bei der Fahndung nach den Tätern behilflich zu sein. Bundesinnenminister Genscher erklärt, dass in einer Sitzung der Innenminister im Bundeskriminalamt nunmehr eine ‚optimale Form’ der Zusammenarbeit zwischen Bundes- und Länderbehörden erreicht worden sei.[1]

Die beiden oben genannten Explosionen erfolgten am 24.05.1972 kurz nach 18 Uhr innerhalb von 15 Sekunden. Der im Hauptquartier der amerikanischen Streitkräfte in Heidelberg verübte Anschlag war der bisher schwerste in Deutschland. Bei den Anschlägen kam es neben drei Toten und vielen Verletzten zu massiven Gebäudeschäden. Die Opfer waren drei Soldaten. Der 29 jährige Captain Clyde R. Bonner, der 26 jährige Spec. 6 Ronald A. Woodward und der 23 jährige Spec. 5 Charles L. Peck. Alle drei waren verheiratet. Bonner und Woodward standen laut Augenzeugenberichten am Wagen des Captains, als die Bombe explodierte. Bonner war sofort tot, Woodward wurde durch die Luft gegen eine Hauswand geschleudert. Peck wurde in einem Gebäude durch herunterfallende Trümmer getötet[2]. Die „Communications“ Zentrale wurde dabei völlig zerstört. Kurz nach den Anschlägen wurden die Campbell- Baracks hermetisch abgeriegelt. Augenzeugen berichteten, dass der Anblick der zerstörten Gebäude einem Bild des Grauens ähnelte[3]. Am Abend nach den Anschlägen gab es noch weitere Bombendrohungen in Heidelberg[4]. Das amerikanische Criminal Investigation Department, die deutsche Kriminalpolizei, die Heidelberger Kripo, das Landeskriminalamt Baden Württemberg sowie die deutsche Bereitschaftspolizei begannen mit den Ermittlungen. Zunächst wurden drei deutsche Männer verhaftet. Allerdings führten diese Ermittlungen zu keinem Ergebnis und die Männer wurden wieder freigelassen. Des Weiteren wurden verdächtige deutsche Wagen durchsucht und die Alibis der Besitzer überprüft. Auch diese Bemühungen brachten keinen Erfolg[5]. Die Bomben wurden in zwei gestohlenen Fahrzeugen deponiert. Beides waren deutsche Autos, an die amerikanische Kennzeichen angebracht wurden. Ein weißer Ford 17 M und eintürkisfarbener VW-Käfer 13025. Nur einen Tag später wurde die Beschreibung einer Tatverdächtigen ausgegeben. Eine 20- 30 jährige Frau, die zuvor in einem der gestohlenen Autos gesehen wurde. Insgesamt wurde eine Belohnung von 110 000 Mark ausgesetzt[6]. Die Polizei bat die Bevölkerung um Mithilfe. Es gingen Hinweise und Zeugenaussagen in Bezug auf die Frau und die Butangasflasche bei der Polizei ein, die jedoch alle nicht den erwünschten Durchbruch brachten[7]. Weitere Ermittlungen brachten zutage, dass die Autobomben vermutlich aus der gleichen Werkstatt kamen, wie die Bomben, die beispielsweise in Hamburg oder Frankfurt detoniert waren. Es wurden auch Bruchstücke einer Butangasflasche gefunden, deren Herkunft auch bestimmt werden konnte. Sie stammte ursprünglich von der Fabrik Stinnes, die sie befüllten. An wen die Flasche verkauft wurde, konnte nicht nachverfolgt werden. Auch diese Spur verlief ins Leere[8].

Politische Wogen

Politisch sorgte der Anschlag in Heidelberg für Bestürzung. Der Heidelberg Gemeinderat legte eine Schweigeminute ein und alle Parteien sowie die Bundesregierung verurteilten den Anschlag. Genscher äußerte sich schon wenige Stunden nach dem Anschlag. Er konstatiert, dass er von einem Erfolg der Fahndung überzeugt sei. Der damalige Bundeskanzler Willy Brandt verwies nach den Anschlägen in Heidelberg auf seine Rede zu dem Anschlag auf das Axel Springer Haus, in der er sagte: „Wer feige und hinterhältig Menschen mit Sprengmitteln nach dem Leben trachte, ist ein Feind der Demokratie und stelle sich außerhalb der Gesellschaft!“ Darüber hinaus führten bundesweite Fahndungen sowie die Verabschiedung von Gesetzen zur inneren Sicherheit zu immer größeren Erfolgen gegenüber der RAF[9].

Die RAF bekennt sich

Am 25. Mai 1972 erschien auch ein anonymes Bekennerschreiben der RAF. Das Schreiben, welches des Namen „Kommando 15:07 – RAF“ trägt, ist eine Anspielung auf den Tod des RAF Mitglieds Petra Schelm am 15.07.1971[10]. Im Folgenden eine kurze Zusammenfassung des Schreibens: Unter dem Titel "Alle Arten von Ungeheuern werden vernichtet werden!", legt die RAF ihre Gründe für den Anschlag dar. Diese sind der Völkermord der Amerikaner am vietnamesischen Volk. Es ist sogar von einer "Endlösung" die Rede, hier verweist die RAF klar auf den begangenen Genozid der Juden im zweiten Weltkrieg und zieht dadurch eine Parallele zum Vietnamkrieg. Gestützt wird dies durch die Tatsache, dass die Amerikaner in den vorhergehenden Wochen massive Bombenangriffe in Vietnam geflogen hatten, welche, laut RAF, die Menge der Bomben auf Deutschland und Japan im 2. Weltkrieg übersteigen würden. Mit dem Bekennerschreiben fordert die RAF einen Abzug aller US-Truppen aus Indochina, ein Ende der Bombardierung sowie ein Ende der Minenblockade gegen Nordvietnam. Des Weiteren ruft das Schreiben zur Solidarität mit dem vietnamesischen Volk auf. Die Militanten in der Bundesrepublik Deutschland werden aufgefordert, es der RAF nachzutun und amerikanische Einrichtungen anzugreifen, um den amerikanischen Imperialismus zu beenden. Das Ziel ist der Sieg im Volkskrieg gegen den Imperialismus. Die RAF will diesen Krieg gegen die "Massenmörder von Vietnam", die USA, bis zum Sieg der Vietkong fortführen, was sie im Bekennerschreiben klar machen. Sie attestieren sich selbst einen Rückhalt in der Bevölkerung, da diese die Fahndung nach der RAF nicht unterstützen würden, da sie die Bombardierung der deutschen Städte durch die imperialistischen Amerikaner und Auschwitz noch nicht vergessen hätten. Auch hier wird die Parallele zum 2. Weltkrieg und seinen Verbrechen durch die NS-Diktatur in Auschwitz gezogen. Die Bombardierung deutscher Städte durch Amerikaner wird auch als Verbrechen betitelt und im gleichen Atemzug wie Auschwitz als imperialistisches Verbrechen betitelt. Unterschrieben ist das Bekennerschreiben mit "Kommando 15. Juli" und ROTE ARMEE FRAKTION, Namen Beteiligter werden nicht genannt[11].

Die Geschichte der Campbell-Baracks

Die Campbell-Baracks wurden 1937 als Großdeutschland-Kaserne in Heidelberg gebaut. 1945 wurde sie zunächst als Hauptquartier der Sechsten Armee genutzt und dann zum Hauptquartier mehrerer US-Truppen gemacht. Bis 1952 war sie das Hauptquartier des European Command (EUCOM) und danach das Hauptquartier der United States Army Europe (USAREUR). 1966 reihte sich sie Siebte Armee an das European Command an. Heidelberg wurde so zum Hauptquartier der neuen Einheit. In den 70er Jahren wurden noch weitere NATO Einheiten in die Campbell-Baracks stationiert. Durch den Fall der Mauer wurden die Aufgaben der NATO verändert. Einige Einheiten wurden aufgelöst. Die Campbell-Baracks wurden nun von den Allied Land Forces Central Europe (LANDCENT) übernommen. Im Laufe der Jahre wurden die Campbell-Baracks immer wieder durch neue Einheiten übernommen, bis schließlich 2010 die Allied Force Command Heidelberg die Baracks übernehmen. 2013 verabschiedet sich diese Einheit aus Heidelberg und auch das Hauptquartier der United States Army Europe wurde nach Wiesbaden verlegt[12]. In den Campbell-Baracks sollen nun Wirtschaftsflächen für Gewerbebetriebe mit büroähnlicher Nutzung entstehen[13].


Literaturverzeichnis

  1. Heidelberger Tageblatt 119, 26.05.1972, S.2.
  2. Vgl. Heidelberger Tageblatt 119, 26.05.1972.
  3. Heidelberger Tageblatt 118, 24.05.1972, S.1.
  4. Heidelberger Tageblatt 118, 24.05.1972, S.1.
  5. Vgl. Heidelberger Tageblatt 118, 24.05.1972, S. 1, S.11; Heidelberger Tageblatt 119, 25.05.1972, S. 1.
  6. Vgl. Heidelberger Tageblatt 119, S.1.
  7. Vgl. Heidelberger Tageblatt 121, 28.05.1972, S.13.
  8. Vgl. Heidelberger Tageblatt 119, 26.05.1972, S.1; 120, S. 13+19.
  9. Heidelberger Tageblatt 120, 27.05.1972, S.2.
  10. Vgl. Heidelberger Tageblatt 120, 27.05.1972, S.1 + 19.
  11. Vgl. http://www.socialhistoryportal.org/raf/text/307152, zuletzt gesehen am 03.03.16, 14 Uhr.
  12. https://rhein-neckar.bundesimmobilien.de/390802/geschichte-der-%3Fcampbell-barracks%3F-und-des-%3Fmark-twain-village%3F, zuletzt gesehen am 06.03.16, 17 Uhr.
  13. http://www.heidelberg.de/Konversion,Lde/Startseite+Konversion/Konversionsflaechen/Planung+Campbell+Barrack+MTV.html, zuletzt gesehen am 06.03.16, 17.30 Uhr.